Environmental Enrichment im Mäusekäfig

Tierversuche liefern Basis-Erkenntnisse in der Corona-Forschung

Früher hätte das im Volksmund „Kavalierstart“ geheißen. Etwa seit Anfang Januar 2020 beschäftigt das neue Coronavirus SARS-CoV-2 Regierungen, Mediziner – und Forscher. Weltweit fokussieren Forscherteams ihre Arbeit auf die Bekämpfung der Pandemie. Einerseits untersuchen sie eine Umwidmung von bereits zugelassenen Medikamenten. Andererseits beschäftigen sich bereits weltweit knapp 70 Forschungsprojekte mit der Erforschung neuer Impfstoffe – und fast täglich werden es mehr. Welche Rolle spielen Tierversuche – und mit welchen Versuchstieren wird geforscht? Tierversuche liefern Basis-Erkenntnisse in der Corona-Forschung.

9.4.2020, zuletzt aktualisiert 20.4.2020

Was bei der Entwicklung von Impfstoffen bisher 15 bis 20 Jahre dauerte, soll nun in 12 bis 18 Monaten geschafft sein. Am 16. März 2020 begannen in Seattle bereits erste klinische Versuche an 45 gesunden Versuchspersonen, um den Impfstoff mRNA1273 zu testen. Im April und Mai sollen Studien mit weiteren Impfstoffen folgen. Wenn es um den Einsatz von bereits oder sogar schon zugelassenen Medikamenten gegen SARS-CoV-2 geht, beginnen Forscher ebenfalls gleich mit klinischen Tests. Schließlich weiß man ja, ob die Substanz für Menschen verträglich ist oder nicht. Parallel finden Tierversuche statt, um zu testen, ob die Medikamente auch gegen SARS-CoV-2 wirken könnten.

Die Stationen bei der Entwicklung von Impfstoffen. Quelle: vfa

Im Kampf gegen SARS-CoV-2 helfen unter anderem frühere Tierversuche gegen verwandte Viren, darunter das erste SARS-Virus. So veröffentlichten US-Forscher im Februar 2020 ihre Ergebnisse, die sie mit Rhesus-Affen gemacht hatten, um das 2012 aufgetretene MERS-Coronavirus (MERS-CoV) zu erforschen. Der Ebola-Wirkstoff Remdesivir (GS-5734) hatte zuvor bereits in einem Mausmodell Wirksamkeit gegen das SARS-CoV gezeigt. Nun stellten die US-Forscher fest, dass eine vorbeugende Behandlung mit Remdesivir bei Rhesus-Affen am MERS-Coronavirus eine Erkrankung vollständig verhinderte.

Die nachfolgende interaktive Grafik zeigt die Schritte bei der Entwicklung eines Impfstoffs.

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SARS-Forschung heruntergefahren

2003 entwickelte ein Mikrobiologe der Universität von Iowa eine genmodifizierte Maus mit Namen hACE2, die  anfällig für die Infektion mit dem SARS-Virus war. Die Mäuse zeigten jedoch keine Krankheitssymptome. Wiederum ein Forscher der Universität von Iowa entwickelte 2007 eine genmodifizierte Maus der Linie K18-hACE2, die sich nach Angaben des Jackson Labors, einer Plattform für die Zucht genetisch veränderter Mauslinien, auch zur Erforschung des aktuellen SARS-CoV-2 eignen sollte. Das Problem: Die SARS-Forschung wurde nach dem Ende der SARS-Epidemie 2002/2003 über die Jahre immer weiter heruntergefahren. Die Mauslinien wurden nicht mehr benötigt und in der Zwischenzeit kryokonserviert. Dabei werden Spermien und Eizellen oder befruchtete Embryonen bei minus 170 °C in flüssigem Stickstoff eingefroren. Diese müssen nun erst mühsam wieder aufgetaut und zu neuen Mauskolonien herangezüchtet werden – was wertvolle Zeit kostet.

Doktorandin Bentolhoda Fereydouni entnimmt eingelagerte Proben aus der Kryokonservierung. Foto: Thomas Steuer

Das deutsche Friedrich-Löffler-Institut veröffentlichte Anfang April 2020 eine Studie, die zeigt, dass Frettchen als Infektionsmodell für SARS-CoV-2 geeignet sein könnten. Ähnliche Ergebnisse erzielte beinahe zeitgleich ein Forschungsteam aus Südkorea.

In Australien forscher Wissenschaftler bereits mit Frettchen. Die australische Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization (CSIRO) betont, dass ihre Tests die ersten umfassenden vorklinischen Studien mit neuen Impfstoffen sein werden, bei denen ein Tiermodell verwendet wird. Ende April sind bereits die ersten klinischen Versuche vorgesehen.

Affen zeigen Symptome wie bei Menschen

Eine chinesische Forschergruppe veröffentlichte Mitte März Studienergebnisse mit vier Rhesusaffen. Sie berichtet, dass die Tiere nach der Infektion mit SARS-CoV-2-Viren Symptome zeigten, wie sie auch bei Menschen vorkommen. Drei bis vier Wochen später hatten die Tiere eine spezifische Immunabwehr entwickelt. Zwei Tiere wurden erneut einer Dosis SARS-CoV-2 ausgesetzt. Bis auf leichtes Fieber zeigten sie aber keine Symptome. Auch das Virus ließ sich nicht mehr nachweisen.

Am 17. April 2020 veröffentlichten die amerikanischen National Institutes of  Health (NIH) Studienergebnisse, dass das experimentelle Medikament Remdisivir die Ausbreitung der Krankheit Covid-19 bei infizierten Rhesus-Makaken deutlich reduzierte. Die Studie legte dar, dass die Viruslast der Lunge von mit Remdesivir behandelten Tieren signifikant geringer war und es eine deutliche Verringerung der Schädigung des Lungengewebes gab. Die Forscher folgern, dass Daten den frühen Beginn der Remdesivir-Behandlung bei COVID-19-Patienten unterstützen, um die Entwicklung einer schweren Lungenentzündung zu verhindern.

Vielfältige Forschungsbeiträge aus Deutschland 

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in München, Marburg und Hamburg nutzen das Know-how, das sie 2012 in der Entwicklung eines Impfstoffes gegen ein anderes Coronavirus, das MERS-Coronavirus, gewinnen konnten. Als Vektor fungiert auch in diesem Fall ein modifiziertes und damit harmloses Pockenvirus, das aber nun statt mit MERS-Information mit der genetischen Information des SARS-CoV-2 bestückt wird. Ob die Impfung funktioniert, wird zunächst in einem Zellkulturmodell getestet, später dann in Tiermodellen und am Menschen. Anfang 2021, so der Plan im April 2020, soll ein Impfstoff im Tiermodell funktionieren.

Dr. Anthony Fauci, Direktor des US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID). Foto: NIAID

Einen anderen Weg verfolgt ein Forschungsteam der Universität Lübeck. Es entwickelt seit Jahren sogenannte Alpha-Ketoamide als antivirale Wirkstoffe gegen Coronaviren. In Laborversuchen hemmen die neuen experimentellen Wirkstoffe die Vermehrung dieser Viren. Einer davon, genannt „13b“, ist gegen SARS-CoV-2 optimiert. Er soll nun in Zellkulturen und mit Tieren getestet und bei Erfolg in Studien an Menschen erprobt werden.

Drosten: Tierversuche ein wichtiger Baustein

Vor einer zu starken Abkürzung von präklinischen Tests warnte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité, Christian Drosten jetzt in einem Interview des NDR. Zum Beispiel sei bei Impfungen mit dem neuen Coronavirus nicht geklärt, ob die Antikörper dazu führen, dass das Virus in die Immunzellen aufgenommen wird und sich dort ausbreitet, statt abgetötet zu werden. Drosten: „Man muss solche Dinge auch ausschließen. Das ist einfach wichtig, dass man da Untersuchungen anstellt. Vieles davon kann man dann zum Beispiel in Tierversuchen beantworten. Da wird man nicht ganz drum herumkommen.“

Ähnlich äußerte sich kürzlich auch der Direktor des staatlichen Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), Dr. Anthony Fauci, der auch das Weiße Haus in der aktuellen Situation berät:

Es gibt Krankheiten, bei denen eine Impfung zu einer Verstärkung der Erkrankung führt, vor der Sie die Leute eigentlich beschützen wollen. Für diese Gefahr bekommen Sie durch Tierversuche ein gutes Gespür.“

Hier das Video im englischen Original während einer Pressekonferenz im Weißen Haus am 26.03.2020:

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